Finanzexpertin, Autorin und Speakerin Helma Sick setzt sich seit den 80er-Jahren für Frauen und deren finanzielle Unabhängigkeit ein. 1987 gründete sie ihr eigenes Unternehmen „frau & geld“ und damit eine der ersten Finanzberatungen für Frauen. Auch in ihrem neuesten Buch „Frau und Geld: wie Frauen finanziell unabhängig werden“ zeigt sie, wie vernünftig und leicht Geld anlegen sein kann.
Seit mehr als 30 Jahren ermutigen Sie Frauen, sich finanziell unabhängig zu machen. Wieso liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Ich bin in einem kleinen Ort im Bayerischen Wald aufgewachsen und hab schon früh erlebt, wie wichtig eigenes Geld sein kann. Eine Tante von mir, Bäuerin, war mit einem Alkoholiker verheiratet. Wenn er sturzbetrunken aus dem Wirtshaus nach Hause kam, hat er sie grün und blau geschlagen, aus dem Haus geworfen, das Bettzeug hinterher. Sie hat dann drei Nächte im Stall geschlafen und ging dann wieder zu ihm zurück. Irgendwann fragte ich sie, warum sie immer wieder zu diesem schrecklichen Mann zurückgeht. Sie weinte und sagte „ich hab keinen Beruf und ich habe kein Geld. Wo soll ich hingehen?“
Das war das erste Mosaiksteinchen zu dem Thema „Frauen und Geld“, das sich in meinem Kopf festsetzte, ohne dass ich damals die Dimension des Ganzen erfasste. Viele Jahre später war ich kaufmännische Geschäftsführerin im Haus für misshandelte Frauen in München und habe dort gesehen, dass sehr viele dieser Frauen nicht nur schwer misshandelt waren, sondern auch kein eigenes Geld hatten.
Sie konnten sich ein selbst finanziertes Leben gar nicht vorstellen. Schon 1979 habe ich in Vorträgen über das Frauenhaus gesagt: „Ich weiß jetzt, dass Frauen einen Beruf brauchen und eigenes Geld, damit sie bei einem Partner bleiben KÖNNEN und nicht MÜSSEN“. Das war damals neu!
Wieso spielt finanzielle Unabhängigkeit bei Frauen eine so bedeutende Rolle?
Ehen halten heute nicht mehr lebenslang. Jede dritte Ehe wird geschieden, in Großstädten jede zweite. Scheidungen sind also gesellschaftliche Realität. In dieser Situation ist es fast schon fahrlässig, wenn Frauen wegen der Familie ihre Erwerbstätigkeit aufgeben und viele Jahre lang gar nicht oder nur Teilzeit arbeiten. Fast 70 % der berufstätigen Mütter arbeiten Teilzeit, aber nur 6 % der Männer! 63 % der verheirateten Frauen haben ein Einkommen unter 1 000 Euro. Und entsprechend sieht dann später die Rente aus. Sie ist häufig so gering, dass eine Frau davon nicht leben kann. Sie ist also dauerhaft abhängig von ihrem Mann. Ich finde aber, es gehört zur Würde eines Menschen, nicht abhängig zu sein von einem Partner / einer Partnerin oder einer Lebensgemeinschaft. Sich über eine gute Partnerschaft zu freuen, aber jederzeit ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, ist für mich die Basis für ein gelungenes Leben.
Was raten Sie allen Frauen, die sich erst in reifem Alter um ihre finanzielle Unabhängigkeit und Altersvorsorge kümmern? Gibt es ein „es ist zu spät“?
In jedem Lebensalter kann man noch etwas für die Altersvorsorge tun. Aber je älter eine Frau ist, desto mehr Geld muss sie dafür aufwenden, weil ja bis zum Ruhestand nicht mehr so viel Zeit bleibt. Wer also in reifem Alter noch vorsorgen will, muss tiefer in die Tasche greifen. Das ist oft möglich, weil die ältere
Generation ja häufig etwas erbt und dieses ererbte Geld dann gut anlegen kann. Zu spät ist es dann, wenn die bisher erreichte Rente zu gering ist, um davon leben zu können, es aber kein verfügbares Geld gibt, das angelegt werden kann. Mein Rat also: so früh wie möglich anzufangen, in jungen Jahren am besten mit einem Aktienfonds-Sparplan. Schon ab 25 Euro monatlich können sehr viele Fonds bespart werden.
Helma Sick haben Sie noch einen Tipp an die Männer?
In einer gleichberechtigten Beziehung sollten Männer sich, wenn ein Kind kommt, mit ihrer Partnerin die Elternzeit teilen, dann müsste keiner zu lange aus dem Beruf aussteigen. Geht das nicht, muss aus dem Familieneinkommen für SIE in einen Sparplan eingezahlt werden, der die entstehende Rentenlücke ausgleicht. Aber nicht nur die Elternzeit sollte geteilt werden, sondern auch die Hausarbeit. Es ist statistisch erwiesen, dass Frauen ca. 80 % der Haus- und Sorgearbeit erledigen, auch wenn sie berufstätig sind. Das ist nicht fair und führt bei Frauen häufig zu Überlastung. Das Ergebnis: Sie ziehen sich aus dem Beruf zurück mit den bekannten Folgen. Auch Männer müssen also umdenken!
Weitere interessante Beiträge finden Sie in unserer Rubrik „Lieblingsmenschen„